Die 8 schlimmsten Fehler im Einstellungsinterview
Fast für jede Einstellung wird ein Interview durchgeführt. Viele Interviews können jedoch kaum eine Aussage über den Erfolg einer Kandidatin oder eines Kandidaten im Arbeitsalltag machen. Welche Fehler können Sie vermeiden, um bessere Resultate zu erreichen?
1. Fehlende Anforderungsanalyse
Fragen Sie sich in einem ersten Schritt, welche Situationen für den Erfolg in dieser Position entscheidend sind (critical incident technique). Dann überlegen Sie, wie sich eine überdurchschnittliche Mitarbeiterin in dieser Situation verhält und wie ein durchschnittlicher Mitarbeiter. Als drittes überlegen Sie, welche Fähigkeiten oder Kenntnisse man benötigt, um das gewünschte Verhalten zu zeigen. Über die immensen Produktivitätsunterschieden zwischen einzelnen Mitarbeitenden lesen Sie hier.
Das können alle möglichen Erfahrungen, Persönlichkeitszüge oder Kenntnisse sein wie beispielsweise Branchenerfahrung, kommunikatives Geschick, Abschlussorientierung, Kreativität, Gewissenhaftigkeit oder analytische Denkvermögen.
Wählen Sie über alle Situationen die wichtigsten acht bis zehn Kriterien aus. Dann überlegen Sie sich, wie Sie diese Fähigkeiten oder Erfahrungen prüfen können. Idealerweise stellen Sie je drei Fragen pro Kriterium, um den Faktor Zufall zu reduzieren.
2. Falsche Fragen stellen
Ein häufiger Fehler ist, dass die Gespräche oberflächlich bleiben und man sich eher über die Aufgabe und die Branche unterhält, als dass die Kandidatin wirklich eingehend geprüft wird. Wenn Sie die sinnvollen Kriterien herausgeschält haben, überlegen Sie sich auf den Punkt zielende Fragen. Fragen Sie nach konkreten Beispielen («Bitte berichten Sie uns von einer Situation ihres beruflichen Lebens, in der es auf Hartnäckigkeit ankam.»).
3. Kein Nachhaken
Fragen Sie nach, bis Sie genau verstehen, wie die Situation aussah, was genau die Aufgabe war, was unternommen wurde und was als Resultat dabei herauskam. Wenn ein Kandidat über keine überzeugende Antwort verfügt, wird er mit einer «Fast-Antwort» reagieren. Er wird eine ähnliche Kompetenz wählen oder die Firma oder das Team wird der Akteur sein, anstelle von ihm selber («Wir haben XY eingeführt …»)
Verlassen Sie sich nicht auf Annahmen. Das Gehirn tendiert dazu, Wissenslücken automatisch anhand von Umgebungsinformationen zu schliessen. Anstatt dass Sie neue Informationen gewinnen, füllen Sie die Lücken mit eigenen Annahmen, welche auf bereits gewonnen Informationen beruhen.
Wiederholt bin ich beim Nachhaken auf Überraschendes gestossen. Positiv: Eine junge Assistentin organisierte in Alleinverantwortung erstaunlich grosse und umfangreiche Events. Negativ: Eine gestandene Führungskraft verfügte über viele gute Ideen, vermochte aber das Umfeld nicht davon zu überzeugen und blieb letztlich wirkungslos.
4. Kein individueller Gesprächsleitfaden pro Vakanz
Gehen Sie mit einem strukturierten Leitfaden ins Gespräch. So stellen Sie sicher, dass alle relevanten Aspekte abgedeckt sind. Es zwingt Sie, die Fragen schriftlich vorzubereiten. So werden allen Kandidaten dieselben Fragen gestellt, in derselben Reihenfolge und im selben Wortlaut. Schlussendlich ist es auch wahrscheinlicher, dass die Kandidatin oder der Kandidat über einen höheren Gesprächsanteil verfügt als ohne Leitfaden.
5. Überbewertung von Erfahrung
Sehr oft ist das wichtigste Auswahlkriterium die (Branchen-)Erfahrung. Aber bedeutet «schon gemacht» auch «gut gemacht»? Muss der Software-Entwickler wirklich jede eingesetzte Technologie bereits kennen (v.a. in Anbetracht des enorm schnellen Technologie-Wandels)?
Wäre es nicht sinnvoller, das analytische Denkvermögen und die Kreativität zu ermitteln? Oder seine Motivation, sich stetig und selbständig weiterzubilden? Will ich lieber einen mittelmässigen Entwickler, welcher zwar ab dem ersten Tag mittelmässigen Code schreibt oder lasse ich eine gewisse Einarbeitungsphase zu und kriege dafür lange Jahre erstklassigen Code?
6. Sympathie entscheiden lassen
Viele Interviews werden innerhalb der ersten fünf Minuten (unbewusst) entschieden. Diese vorschnellen Urteile basieren meist auf Sympathie. Je ähnlicher uns eine Person ist, desto sympathischer ist sie uns.
Aber ist Sympathie nicht auch wichtig? Auch ich arbeite lieber mit mir sympathischen Personen zusammen. Zum Glück jedoch bilden sich Sympathie und Freundschaft über Zeit und über gemeinsame Erlebnisse.
Machen Sie sich bewusst, wie ähnlich und sympathisch Ihnen ein Bewerber ist, um diesen Effekt zu reduzieren. Je strukturierter Ihr Interview-Fragebogen ist, desto weniger droht Ihnen diese Gefahr.
7. Lediglich besprechen, was getestet werden kann
Weshalb sich über Programmierung in .NET unterhalten, wenn man die Kandidatin live eine Aufgabe lösen lassen kann? Wir wollen in Interviews herausfinden, wie der Kandidat im Alltag in erfolgskritischen Situationen handelt. Also probieren wir diese Situationen in konzentrierter Form nachzubilden. So funktionieren übrigens moderne Assessments.
Weshalb nicht Excel-Tests für Assistenzfunktionen, schwierige Mitarbeitergepräche für Vorgesetzte und Kaltakquise-Telefone für Vertriebler? Diese Situationen müssen alltagsnah, erfolgskritisch und für jeden Bewerber identisch sein. Wiederum sollten Sie drei Situationen durchspielen, um den Faktor Zufall zu reduzieren.
8. Mehr Sprechen als Zuhören
«I never learned anything when I was talking», hat der amerikanische Talkmaster Larry King gesagt. Gerade begeisterte und motivierte Interviewer lassen sich dazu verleiten, voller Stolz und Freude über die Firma, die Strategie und die Aufgaben zu reden anstatt den Kandidaten einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Bleiben Sie unbedingt unter fünfzig Prozent Sprechanteil, als ideal gelten etwa dreissig Prozent. Stellen Sie zudem Ihre Fragen, bevor Sie dem Kandidaten eingehend die Aufgabe darlegen. Andernfalls können seine Antworten verfälscht sein.
Diese Inhalte sowie meine Erfahrung sind Teil meiner praxisorientierten Interview-Trainings für Linie und HR. In diesem Blogartikel können Sie nachlesen, wie so ein Training abläuft.
Haben Sie Fragen?
Rufen Sie an: +41 (0)41 552 27 27
Schreiben Sie mir: roger.renggli@rrpb.ch
Roger Renggli
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