6 Psychologie-Mythen im Berufsleben – und wie es ist
Die Maslow-Pyramide, Persönlichkeitstests und die zwei Gehirnhälften kennen alle. Dasselbe gilt für Intelligenztests, Graphologie und das Bauchgefühl. Was ist dran an diesen Konzepten oder wie ist es wirklich?
Motivation und die Maslow-Pyramide
Die Maslow-Pyramide der aufeinander aufbauenden Bedürfnisse ist simpel, einleuchtend und deswegen weit verbreitet. Sie basiert auf dem qualitativen Studium von eher wenigen herausragenden Persönlichkeiten und wurde 1943 präsentiert. Die vereinfachende Pyramiden-Darstellung beruht nicht auf Maslow. Die ursprüngliche Theorie ist durchlässiger als die Pyramide suggeriert. Überschneidungen der einzelnen Stadien sind möglich und es gibt Vorwärts- sowie Rückwärtsbewegungen. Empirisch nachgewiesen wurde diese Theorie jedoch nie. Heute werden komplexere Modelle der Motivation angewendet – welche zudem empirisch belegt sind.
Motivation – wie denn sonst?
- Intrinsische Motivation entsteht durch Autonomie und Kompetenzerleben. Im Berufsalltag soll das Umfeld der Mitarbeitenden so gestaltet werden, dass intrinsische Motivation entsteht
- Durch extrinsische Belohnung (jegliche Anreizsysteme, sogar Lob) kann intrinsische Motivation zerstört werden (Korrumpierungseffekt)
- Motivation = Erwartung x Anreiz (Ist das Ziel erreichbar? Ist das Ziel attraktiv?)
- Leistungsmotivation als Persönlichkeitsfaktor beschreibt, wie stark Aufgaben mit Energie und Ausdauer bis zum erfolgreichen Abschluss bearbeitet werden
Persönlichkeit und zwei Hirnhälften
Es gibt zwei Hirnhälften, welche unterschiedliche Funktionen übernehmen. Dass es aber dominante Hälften und somit analytische oder kreative Typen gibt, gilt als überholt (Hemisphärenmodell).
Die zwei Hirnhälften – was denn sonst?
- Sprache wird bei den meisten Personen vornehmlich, aber nicht ausschliesslich, in der linken Hirnhälfte verarbeitet
- Ausser bei der Sprache gibt es nur geringe Lateralisation
Persönlichkeitstests und MPA, MBTI DISG, Insights Discovery, Thomas System und Insights MDI
Die Persönlichkeitsinventare wie MPA, MBTI DISG, Insights Discovery, das Thomas System und Insights MDI teilen die Menschen in vier (oder je nach Test, 8, 16) Felder ein. Diesen Modellen liegen lediglich zwei Dimensionen zu Grunde (analog Nord-Süd, Ost-West). Mit zwei Dimensionen lässt sich die komplexe menschliche Persönlichkeit nicht ansatzweise beschreiben. Alle Persönlichkeitsinventare, welche das versuchen, sind Humbug.
Das Persönlichkeitsmodell, welches all diesen Verfahren zugrunde liegt, stammt von C.G. Jung oder William Marston. Sie sind über achtzig Jahre alt und veraltet. Daran ändert sich auch nichts, wenn diese Verfahren erfolgreich vermarktet und von Grossunternehmen (nach wie vor!) eingesetzt werden.
Zudem sind diese Verfahren wissenschaftlich nicht haltbar. Sie geben zwar vor, wissenschaftlich überprüft zu sein und können einzelne positive Studien zitieren. Die grosse Mehrheit der Untersuchungen kam zu niederschmetternden Ergebnissen. Sie könnten sich fragen, ob das schlimm sei. Ja, ist es. Denn sonst könnten Sie genauso gut mit Horoskopen arbeiten. Oder die Lufttemperatur anhand des Klangs messen, der vom Schlag eines Hammers auf einen Stein entsteht …
Der Eindruck, dass die Aussagen verblüffend treffend seien, lässt sich – wie bei Horoskopen – mit dem Barnum-Effekt erklären. Die Beschreibungen sind so allgemein und vage gehalten, dass sich viele Menschen davon zutreffend beschrieben fühlen.
Persönlichkeit – wie denn sonst?
- Persönlichkeit wird anhand der Big Five beschrieben: Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen, psychischer Stabilität, Verträglichkeit und Extraversion
- Kann mit dem NEO-FFI gemessen werden
- Im beruflichen Umfeld kann das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) mit 16 Dimensionen verwendet werden
- Diese Verfahren setzen auf Aussagen der Personen und können manipuliert werden. Aus diesem Grund sollten Persönlichkeitstests in der Personalauswahl allenfalls ergänzend eingesetzt werden.
Persönlichkeit und graphologische Gutachten
Inzwischen werden richtigerweise kaum mehr graphologische Gutachten bei Stellenbesetzungen erstellt. Die Analyse des Schriftbildes kann den Berufserfolg nicht vorhersagen, was sich in verschiedenen Forschungsarbeiten deutlich gezeigt hat. In dieselbe Kategorie fallen die Interpretation von Farbkleksen (Rorschach-Test) oder wenn es darum geht, angefangene Zeichnungen weiterzuführen (Wartegg-Zeichentest). Diese können bestenfalls verwendet werden, um Gespräche zu initiieren. Jegliche Vergleiche zwischen Personen sind unseriös.
Personalauswahl und Bauchgefühl
Wenn ich nach wenigen Minuten in einem Interview zu wissen glaube, ob ein Kandidat passt oder nicht, ist das ein Trugschluss. Nach dieser Zeit kann ich die Eignung eines Kandidaten für eine Position nicht einschätzen. Mein Urteil basiert auf Sympathie dieser Person gegenüber – was mir nicht bewusst ist. Sympathie ist Ähnlichkeit und reicht nicht für einen Einstellungsentscheid aus.
Personalauswahl – wie denn sonst?
- Strukturierte und standardisierte Interviews verwenden, um den Einfluss von Sympathie zu reduzieren (über die schlimmsten Fehler im Einstellungsinterview erfahren Sie in diesem Blogartikel mehr)
Intelligenz
Intelligenz hat etwas Elitäres und ist oft verpönt. Moderner klingen Konstrukte wie emotionale Intelligenz oder multiple Intelligenz. Dabei repräsentiert die Intelligenz den Spatz in der Hand, die anderen die Taube auf dem. Intelligenz ist als Konstrukt ausgesprochen gut erforscht, gut messbar und weist hohe Korrelationen zu anderen Konstrukten auf. Daher ist sie von hoher praktischer Relevanz. Das ist bei der emotionalen Intelligenz (noch) nicht der Fall. Das Konstrukt der multiplen Intelligenz wurde in der akademisch-wissenschaftlichen Welt inzwischen fallen gelassen.
Intelligenz – wie denn sonst?
- Intelligenz ist die kognitive, also geistige, Leistungsfähigkeit
- Intelligenz ist der beste Prädiktor von Berufserfolg und wäre somit in jedem Einstellungsverfahren ausgesprochen wertvoll zu erheben
- Gute Messbarkeit mit Matrizen-Tests
- Weitere Korrelationen: Schulerfolg, Einkommen, Gesundheit und Lebenserwartung, Resilienz, Atheismus (!) und geringere Delinquenz
Haben Sie Fragen?
Rufen Sie an: +41 (0)41 552 27 27
Schreiben Sie mir: roger.renggli@rrpb.ch
Roger Renggli
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