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Praxis-Tipps für junge Software-Entwickler – Interview mit Urs Enzler 1/2

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Urs Enzler ist Software Architekt, Speaker und Co-Gründer der .NET Usergroup Zentralschweiz. Seine Lieblingsthemen sind architektonische Herausforderungen und Lernen als Team. In diesem ersten Teil spreche ich mit ihm über seine Erfahrungen mit jüngeren Kollegen.

Was ist dir am wichtigsten bei einem neuen Teammitglied?

Primär die Person, ihr Potenzial. Skills sind auch wichtig, das ist die Basis. Aber in der heutigen Welt ist es wichtiger, schnell lernen zu können. Ist die Person interessiert, offen, spüre ich eine gewisse Cleverness? Wie eignet sich die Person neues Wissen an? Was hat sie schon alles gelernt? Und nicht zuletzt die Sympathie, passt die Person ins Team.

Wie erkennst du diese Offenheit, dieses Lernen können?

Oft erkennt man das im Lebenslauf zwischen den Zeilen. Bei Architekten frage ich oft, wie sie an Themen herangegangen sind. Wie haben sie sich um das Problem gekümmert? Wie haben sie probiert, dies zu lösen? Ich frage, was sie tun, um weiterzukommen. Welches ist das letzte Buch, das du gelesen hast? Welches das letzte Video, der letzte Kurs? Was hast du daraus mitgenommen? Natürlich ist das schwieriger, wenn man Familienvater ist und einen anspruchsvollen Job hat. Aber ich will das Interesse spüren. Wenn man dieser Person im Team Zeit gibt, etwas zu lernen, macht sie das dann auch?

Gibt es bei Studienabgängern wiederkehrende Stärken oder Schwächen?

Positiv ist sicher die Begeisterungsfähigkeit und Offenheit gegenüber Neuem. Aber ich würde hier nicht schwarz-weiss malen. Von der Ausbildung sind sie sich gewohnt, Neues unvoreingenommen aufzunehmen.

Auf der anderen Seite, und woran ich weniger Freude habe: Junge sind oft sehr technologie-orientiert. Wenn Sie JavaScript beherrschen denken sie, sie seien die besten Webentwickler. Zu verstehen, was der User braucht, ist aber auch enorm wichtig. Oder die Zusammenhänge zu erkennen. Oder wie ein Produkt End-to-end entwickelt wird. Usability. Es geht hier nicht um Wissen, sondern die Offenheit, dass auch diese Themen wichtig sind.

Als besonders positives Beispiel fällt mir ein Workshop bei einer Firma ein. Der Lehrling war extrem interessiert, hatte eine gute Auffassungsgabe und er traute sich, seine Meinung zu sagen. «Das ist meine Meinung. Ich weiss, dass ich nicht soviel weiss wie andere hier im Raum, aber das ist meine Meinung.» Ich mag das.

Wie kann man sich das Denken in Zusammenhängen aneignen?

Mit anderen zusammen eine Arbeit erledigen, also pairen oder Job Shadowing. Anfänglich ist man vielleicht eher der passive Konsument, aber das ändert sich schnell. So kann man in kurzer Zeit seinen Horizont erweitern, und zwar real und nicht nur theoretisch. Weshalb ist einer Business-Person diese Frage wichtiger als mir als Techie?

Ideal ist natürlich, wenn man einen Mentor findet. Eine Person, welche einem sagt, worauf man achten soll und wo man sich verbessern könnte. Das kann einen schnell weit bringen.

Welche Art Firma würdest du einem Hochschulabsolventen empfehlen?

Das wichtigste ist für mich das Interesse an der Domäne. Das zweitwichtigste die Kultur. Wenn das Management Mitarbeitende nur als FTE’s (full time equivalent) sieht und in irgendwelche Excel-Sheets abfüllt, geht das für mich gar nicht. Daher bin ich eher für kleinere Firmen. Man kennt sich, es ist weniger bürokratisch und nicht alles ist über Standardprozesse geregelt. Firmen mit etwa 100 Personen erachte ich als ideal. Kleinere haben oft die finanziellen Möglichkeiten weniger, einen zu fördern.

Können grössere Firmen im Lebenslauf nicht attraktiver wirken?

Was ist denn der Lebenslauf von Softwareentwicklern? Zertifizierungen? Gut finde ich Abwechslung und breite Erfahrung. Ich arbeite in einer sehr kleinen Firma, aber mit absoluten Cutting-Edge-Technologien. Dagegen kann man in einer Grossfirma fünf Jahre lang mit Legacy-Code immer genau dasselbe tun.

Auf was sollen Hochschulabgänger bezüglich Prozess und Methoden achten?

Diese sind sicher wichtig. Mit dem Begriff «Agil» wird viel Unfug getrieben. Aber die Agilität einer Firma kann man leicht prüfen. Wie viele Leute stehen zwischen dem Entwickler und dem Benutzer? Null ist ideal, eins ist noch gut. Wobei ein Product Owner für mich schon ein scheues Anti-Pattern ist. Bei Grossfirmen mit SAFe muss man dagegen manchmal in Dutzenden zählen.

Was hat sich für das Onboarding von neuen Teammitgliedern bewährt?

Sehr gut hat in meiner letzten Firma ein Young-Professional-Programm funktioniert. Neben der praktischen Arbeit gab es für diese ein langfristiges Lernprogramm (TDD on Practice etc.). Das hat nebenbei bei den Juniors eine Art Teamspirit erzeugt, was für diese sehr motivierend war.

Die ideale Teamzusammensetzung?

Bei einer Produktfirma ist der Mix an Erfahrung entscheidend. Jüngere Personen haben weniger Erfahrung, aber sie haben zumindest auch keine schlechten Erfahrungen gemacht! Bei Erfahreneren heisst vielleicht, haben wir schon probiert, funktioniert nicht. Nur heute ist der Kontext ein anderer, heute würde es vielleicht funktionieren.

Ich versuche immer, auch jüngere Personen ihre Meinung äussern zu lassen. Diese bringen vielleicht nicht die perfekte Lösung auf einen Schlag. Aber es kann eine Sichtweise einbringen, die das Team zu einer besseren Lösung bringt.

Was begünstigt Offenheit im Team?

Es ist die psychologische Sicherheit. Jeder getraut sich zu sagen, was er denkt. Jeder kann sich einbringen in ein Meeting oder die Entscheidungsfindung. Man weiss, man wird respektiert, es wird einem zugehört. Ein Junior hat schlechte Ideen, ein Senior hat schlechte Ideen.

Diese Sicherheit muss primär von Personen mit höherer Seniorität kommen. Der Moderator muss das suchen und dafür schauen, dass die Meinungen aller respektiert werden. Wenn deine Aussagen jedes Mal abgetan werden, wirst du sehr bald schweigen.

Herzlichen Dank, Urs, für das aufschlussreiche Gespräch!

Roger Renggli

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Schreiben Sie mir: roger.renggli@rrpb.ch
Roger Renggli

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